Forschung

Das Forschungsinteresse des Lepsiushauses Potsdam gilt insbesondere dem Völkermord an den Armeniern von 1915/16 und seinen vielfältigen Kontexten.

Darunter ist das Gewaltpotential der Nationalisierungsprozesse im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert ein herausragender Aspekt, mit dem auch eine Verbindung hergestellt werden kann zu Themenkomplexen, die heute immer noch drängend sind, etwa in den disparaten Regionen des Mittleren Ostens und ihren (meist christlichen) Minderheiten, in denen sich Deutschland für Friedensstiftung, Stabilität und Aussöhnung einsetzt.

Das historische Fallbeispiel der Armenier soll dabei als Ausgangspunkt für vergleichende Analysen im Bereich »Genocide Studies« und Minderheitenproblematik dienen, die auf der Grundlage der im und mit dem Lepsiushaus Potsdam stattfindenden Forschung in transdisziplinären Projekten und Tagungen erarbeitet werden können. Gezielte Forschung zu diesen Themenbereichen findet bisher an keinem anderen Ort in Deutschland statt. Das Lepsiushaus Potsdam möchte mit seinem Angebot den Bereich der »Genocide Studies«, formiert aus Geschichte, Soziologie, Philosophie, Anthropologie und Rechtswissenschaft, in Deutschland bereichern.

Das armenische Beispiel bietet darüber hinaus die Möglichkeit, vergleichend die Dimension von Identitätspolitik, von Verleugnung als Fortsetzung eines Völkermords und umgekehrt die Bedeutung politischer und gesellschaftlicher Anerkennung für die Aufarbeitung der Vergangenheit sowie für Versöhnungsprozesse zu beleuchten.

Eine besondere Rolle spielt die Erforschung des Lebens, des Werks und der Wirkung von Johannes Lepsius, dem international bedeutsamsten Zeugen, Historiker und Dokumentaristen des Völkermords an den Armeniern und dem Initiator und Leiter eines großen, aus privaten Spendenmitteln finanzierten armenischen Hilfswerks im Orient. Mit der Person Lepsius sind auch Fragen nach Zivilcourage sowie einer internationalen politischen Ethik und Rechtsordnung verbunden.

Abgeleitet davon öffnet sich die Arbeit des Hauses weiteren Themenbereichen, wie dem Zusammenhang von Nationalismus, Ethnizität und Gewaltpolitik, der Geschichte und Kultur der Armenier, dem »fernen Europa« im Transkaukasus, dem interkulturellen und interreligiösen Dialog sowie der Problematik von Menschenrechten, des internationalen Rechts und der Erinnerungspolitik bis heute.

Diese Schwerpunkte werden regelmäßig in wissenschaftlichen Konferenzen und Colloquien thematisiert. Das Johannes-Lepsius-Archiv und die Bibliothek bieten reiches und mit modernen Medien erschlossenes Material, um Forschung zu ermöglichen.